Changierende Horizonte


Aus menschlicher Sicht, der einzigen, die wir Menschen aus Erfahrung kennen, besteht das Leben in der Mitteilung von Tätigkeiten, in der Erfahrung des Bewusstseins, dem Empfang von Mitteilungen von außen und aus dem Unterbewusstsein. Letztere sind äquivalent.

Eine Lebensspanne ist die Zeitspanne, die das Bewusstsein umfasst, die Zeitspanne vom Erwachen des Bewusstseins bis zum gegenwärtigen Augenblick. Die Wahrnehmung des weiter zurückliegenden ist schwächer als die des zeitlich näher liegenden. Will sagen, dass mit der Zeit die Wahrnehmung des Anfangs vager wird, manches jedoch verdichtet sich dabei, wird Dichtung. Der gegenwärtige Moment wird nicht als ein Ende empfunden, weil die Erfahrung zeigt, dass dem bisher nicht so ist.

Es kann so kommen, es kann auch anders kommen, wie eben die Würfel so fallen.

Es gibt verschiedene Ausprägungen von Lebensspannen. Die bekanntesten werden mit den Worten Tag und Leben andeutungsweise umschrieben. Unterschiedliche Menschen erleben die Analogie auf unterschiedliche Weise und unterschiedlich stark. Das äussert sich in der Extrapolation vom Tag auf das Leben, vom Leben darüberhinaus ;) Die Analogien changieren also zwischen Schlaf, Winterschlaf, dem Mittagsschlaf und dem unbewegten Sitzen oder Stehen oder Gehen bei wachem Bewußtsein. Also den diversen Intrapolationen.

Das ist eine Sichtweise. Sie entspricht der Legende vom Zeitstrahl. Denke hingegen mal spaßeshalber an ein analoges Zifferblatt. Lebensspannen also Tage, Winter, Nächte, Frühling. Mal steht der Mond so, mal steht er so, so in etwa.

Der Wortteil Spanne bezeichnet eine zeitliche oder räumliche Distanz und die Spannung zwischen Punkten, dem Ausgangspunkt, einem Punkt, von dem etwas ausgeht, und dem Punkt, an dem es ausgeht. Der Punkt ist, wie es ausgeht im Möglichkeitsraum. Punkt muß man nicht so wörtlich nehmen. Möglichkeitsraum schon eher. Ende weniger doch Verwandlung und Übergang, aka Weg.

Das Ende einer Zeitspanne ist ein gegenwärtiger Moment. Was sag ich Ende? Treffpunkt vielmehr von verschiedensten Spannen. Die Erfahrung gegenwärtiger Momente führt im Laufe der Zeit zu Postulierungen von Regeln und damit zu Prognosen, die als Erwartungen empfunden werden. Je nach Persönlichkeit und Situation, also der aktuellen Vorgeschichte, nehmen diese Erwartungen die Form von Vorfreuden oder Befürchtungen an oder auch weder noch. Diese bewegen sich im Spannungsfeld von vermuteten Regeln, vermuteten Plänen und dem begrüßten oder befürchteten Zufall. Pläne und Regeln werden oft einem Willen zugeschrieben und der wiederum je nach Persönlichkeit und Situation sich selbst oder anderen. Entsprechend der Art des betreffenden Willens wird sein Zusammenspiel mit dem Zufall als mehr oder weniger offenes Spiel gesehen, als Verengung oder Bereicherung der Möglichkeiten. Als Parkour.

Statt der Sichtweise vom Zeitstrahl also lieber die der Kreislaufwirtschaften, der Wirtschaften, in die wir immer wieder gerne einkehren. Mal draussen, mal drinnen, je nach Wetter oder so.

Eine Lebensspanne, ein von Mitteilungen aufgespannter Raum, erhält seine Spannung aus Wünschen, dem Wunsch einzuverleiben oder dem Wunsch einzudringen, oder auch umgekehrt.

Du kannst es auch sanfter haben. Berühren und berühren lassen, abgucken und abgucken lassen. Der Punkt ist, wie es weitergeht, will sagen sich verwandelt, sich wandelt, mit großer Gleich-Gültigkeit. Doch Kreislauf ist ein zu starres Bild. Wiederkehr ist schon besser, Wiederkehr in songlines. Zwischendrin auch mal neue kreieren.

Das hindert sie nicht am Verklingen.


copyleft -- die kleinste Zeiteinheit ist ein Go-Spiel -- was bisher geschah