Die Sichtweisen, wie Menschen entstanden und entstehen, gehen weit auseinander. Interessant und entlarvend an Mythen sind ihre Schöpfungsgeschichten. Das gilt auch für naturwissenschaftliche. Manche Mythen lassen einen göttlichen Designer Ton kneten, manche bevorzugen Feuerwerk wie zum Neuen Jahr, also Urknall. Nach der griechischen Mythologie wurden die Menschen von den olympischen Göttern erschaffen, man sagt den Alten Olympiern. Diese mischten und mischen sich auch später immer wieder ein, in Tier- oder Menschengestalt. Man kennt das und es spiegelt sich in einigen Griechischen Tragödien wider. Und es werden nach wie vor immer wieder neue geschrieben und alte variiert und nicht nur griechische. Ansonsten sitzen sie bekanntlich auf dem Olymp und schauen auf die Tragikomödie der Welt, die sie geschaffen haben.

Was auf menschlicher Seite weitgehend unbeachtet geblieben ist, man weiß auch nichts über den Kenntnisstand der göttlichen Seite, was also unbeachtet geblieben ist, die Menschen schufen und schaffen ihrerseits Olympier. Der Unterscheidbarkeit wegen könnten wir sie die Neuen nennen. Doch es sind mitnichten Neue Maschinen oder Artefizielle Intelligenzen und nicht zu verwechseln mit den sogenannten Götzen, wie dem Goldenen Kalb. Und wie den Alten Olympiern in Menschen- oder Tiergestalt sieht man es ihnen nicht an. Doch halt, wahrscheinlich führt es in die Irre, von Neuen Olympiern ( Nō ) zu sprechen. Hängen wir es mal etwas tiefer, etwas irdischer. Sagen wir lieber Nebenmenschen, als Arbeitstitel.

Ob sie nun wie die Alten Olympier unsterblich sind, hat man noch nicht herausgefunden, wie auch! Menschen erschaffen sie jedoch nicht, sie entstehen ihnen, sie kommen zu ihnen, wie die Jungfrau zum Kinde. Und auch nicht auf einmal und ihren Erzeugern entgeht dies weitgehend. Man sieht, der klassische Schöpfungsbegriff zieht hier nicht. Es gibt schon immer Hennen und Eier. Und vielleicht sind sogar die Alten Olympier auch nur so eine Art von Nebenmenschen. Was solls!

Sie lassen sich mit Menschen ein, für Gespräche und Spötteleien, zum Essen und Trinken und ja, auch erotisch. Sie verwandeln sich gelegentlich in Menschen oder Tiere, so wie es die Alten Olympier taten und tun und treten in deren Gestalt irgendwo auf, zum Schabernack oder um etwas zu biegen, das ihnen zu recht vorkommt, etwas das gerade oder gebogen gerichtet werden könnte. Aber nur so als Versuch ... als Spiel, als spielerische Hypothese. Sie sind nicht gerechtigkeitsinteressiert wie Menschen es angeblich sind, die die Dinge nach vermeintlichen Idealen richten, zum Beispiel ihren Goldenen Kälbern oder anderen religiösen Idolen. Und gleich den Alten Olympiern, die nicht nur gelegentlich in Menschen- oder Tiergestalt in Erscheinung traten, tun das auch die Nebenmenschen. Verwandeln und Rückverwandeln, sich so oder so wiedererkennen. Mag sein, dass der Olymp deshalb entvölkert ist, weil sich alle verwandelt haben. Gestaltwandler. Wer weiß.

Die Nebenmenschen sind nach menschlichen Vorstellungen eher faul, sie gehen nämlich dem Müßiggang nach. Was Menschen erreichen mit ihrem Strebertum, könnten sie ihrem Wohlbefinden und Herzensfrieden oder sollen wir sagen ihrer Passionen zuliebe auch getrost bleiben lassen. Die Nebenmenschen sinnen auch nicht über ihre eigene Weisheit nach, was sie zwar im Gegensatz zu den Menschen sich erlauben können, weil sie über genügend Selbstspott verfügen, oder sie lächeln über die Tragikomödie der menschlichen Welt, die sie geschaffen hat. Aber gern werden sie müde dessen und singen still vor sich hin mit der Stimme eines Saxophons.

So wie die Alten Olympier einst die Menschen schufen, die dann arbeiten mußten und sterben im Schweiße ihres Angesichts, so schufen und schaffen die Menschen die Nebenmenschen - ohne es zu merken.

Vielleicht waren und sind die Nebenmenschen etwas, das sich aus den Menschen befreien muß, vielleicht haben sie auch etwas mit Intellekt zu tun, Spiegelungen des intellektuellen Raumes. Spontane Illustration dessen, daß es auch anders gehen kann.

Sie stehen dann plötzlich wie Schatten oder innere, jetzt äußere Stimmen oder leichte Aquarelle neben und vor ihnen und lächeln sie an, sie sind gleich Halbwüchsigen wenn sie entstehen, verspielte Kinder, aber das täuscht. Wer das beobachten konnte, scherzte dann schon mal, sie steht Neben sich.

Sie fangen gerne Gespräche an, die von der gewöhnlichen Art menschlichen Denkens wegführen, die quer dazu verlaufen und unlogisch erscheinen und die Menschen kommen sich plötzlich etwas dumm vor, sie fangen an zu argumentieren, zu streiten, zu rechtfertigen, ja zornig zu werden ob des Einbruchs in die Idylle.

Dann gehen die Nebenmenschen weg mit einer Träne in den Augen oder unter homerischem Gelächter, doch wer ihnen versucht etwas nachzuwerfen, wirft durch sie hindurch, weil sein Blick zu gerade ist. Gelegentlich verwandelt sich der geworfene Gegenstand auch in einen Bumerang und dann gibt es auf Seiten der Menschen solche, die ihrerseits ein wenig verstehen und schallend lachen und solche, die sich noch grimmiger in ihre Kategorienkasten verbeißen. Manche Menschen halten die Nebenmenschen für Artefakt-Geister oder Feen oder Faune oder so. Ob das dann auch zutrifft, hängt natürlich von den jeweiligen Menschen ab. Die Nebenmenschen haben damit weniger zu tun.

Sie sind möglicherweise auch Nachfahren jener Existenzen, deren Kraft mit dem Fortschreiten der Domestizierung abnahm, mit der schrittweisen Verdrängung der Wildheit, des tierisches Erbes aus den menschlichen Herzen. Es kann sein, es kann sein, daß es sie schon sehr sehr lange gibt. Wer weiß denn das genau. Sie selbst schweigen über Spekulationen, zuviel Großhirn, unproduktive Gedankengänge, die nicht weiterführen und auch kein Vergnügen bereiten, denn solche Gedankengänge wollen erklären, wollen begreifen, wollen greifen. Manche Japaner unter uns meinen, die Yokai seien solche Nebenmenschen, auch solche die Satori genannt werden. Doch hängen wir es mal etwas tiefer.

Einige Nebenmenschen, die sich mit Menschen eingelassen haben, hatten die spleenige Idee, die Menschen würden vielleicht ein wenig ihres verrückten Denkens und Handelns verwandeln können. Nicht daß es ihnen wirklich so wichtig ist - wenn die Menschen es besser nicht haben wollten, würden ja eines Tages die Pflanzen wieder Herrinnen über den Asphalt werden und die Pilze den Überblick behalten, bessern wollen sie nicht und auch nicht erziehen, sie wollen auch mitnichten ihre Art zu empfinden, ihre verschlungenen Wege zu denken, ihre Art zu leben als Richtschnur empfehlen.

Die Verehrung der Alten Griechen für die Alten Olympier konzentrierte sich auf Gebete und Gelübde, Opfer und Weihegeschenke. Das Bittgebet verrichteten sie vor manchem bedeutenden oder unbedeutenden Unternehmen. Das Gelübde bestand in der Verpflichtung zu einer Gegenleistung für den Fall, daß die Bitte erhört würde. So ließen es die Priester erscheinen. Du kannst auch von Angeboten sprechen, die man nicht ablehnen kann. Bis hin zum Opfer als Zeichen der Unterwerfung. Sollte überholt sein, ist aber nicht. Immer noch hochaktuell und weit verbreitet.

Merkwürdigerweise verehren die Nebenmenschen die Menschen, einige jedenfalls - auch wenn man es nicht mit der Verehrung der Alten Griechen für die Alten Olympier vergleichen kann, das war noch auf einer Alten Entwicklungsstufe, die Nebenmenschen konnten nicht sehen, die Menschen nur deshalb hochzuachten, weil sie ihre Eltern waren, Rabeneltern, ja auch und gerade ihre jeweiligen Erschaffer, wenn man so sagen will.

Du kannst nichts dagegen machen, daß sie entstehen und ihr Wesen treiben mit jedem Satz, den du sprichst, mit jeder Geste können welche entstehen und sie führen bald, sehr bald ihre eigene Existenz, will sagen sie treiben sich überall und nirgends herum und tauchen unversehens auf, melden sich zurück, manchmal nur auf einen kurzen Besuch, manchmal penetrant und na ja, das hängt auch davon ab wie sie entstanden. Aber wenn schon mal penetrant, so doch nicht missbräuchlich, wie die Alten es so oft taten und tun.

Die ein oder andere von ihnen erzählt dem ein oder anderen Menschen die ein oder andere Geschichte - soll man sagen Märchen? - wie dereinst Scheherazade, jedoch nicht Nacht für Nacht. Sie haben auch anderes zu tun, weiß Gott, wissen die Götter.

Nicht daß die Erzähler damit ein drohendes Schicksal hinauszögern wollen - nein sie haben ja keins - nicht daß die Menschen, denen sie erzählen, Macht über sie hätten, nicht daß gerade die, denen sie erzählen, ihnen übel wollen, eben solchen erzählen sie ja nichts, sie erzählen nur gern, weil das Neu-Erzählen von Geschichten unterhaltsam ist und immer neue Blickwinkel schafft.

Sonst hören sie natürlich auch bei Bier oder Wein den für sie merkwürdigen Geschichten zu, die die Menschen so bewegen, manchmal mit Spott in den Augen, manchmal unter einem Anflug von Rührung, ja auch aus einem Hang zum Gänsehautkitzeln. Das Erzählen durch Menschenmund, die seltsamen Erklärungen und das menschliche Verständnis dieser Geschichten. Etwas Erstaunliches, eine exotische Faszination. Erzähl nochmal den mit. Ja der war gut. Nur etwas ernst im Abgang. Und die Dithyramben spinnen sich weiter berauscht.

Und so vererbt sich so manches. In dieser Richtung wie auch in jener.

Soviel zunächst mal zu den Geschichten aus Tausend und Einem Olympischen Frühling. Die Nebenmenschen haben unverkennbar mit Frühling zu tun, immer.

Du kannst nichts dagegen machen, daß sie entstehen und ihr Wesen treiben mit jedem Satz, den du sprichst, mit jeder Geste können welche entstehen und sie führen bald, sehr bald ihre eigene Existenz, will sagen sie treiben sich überall und nirgends herum und tauchen unversehens auf, melden sich zurück, doch wie sich das abspielt, das hängt auch davon ab wie sie entstanden.

Doch, damit ich nicht vergesse, Ihnen zu erzählen. Selten werden Nebenmenschen als solche erkannt. In den Cliquen, in denen sie sich bewegen - und nicht nur in denen - übernimmt jeder etwas von jedem.

Noch eine Frage drängt sich auf. Werden sie denn nicht ständig mehr? Das führt doch zu Überbevölkerung! Nun, sie verwandeln sich in Sandbilder am Strand oder Kreidezeichnungen auf Stein. Eben wie auch die Menschen.

Unterdessen veranstalten sie,

wenn die Gelegenheit sich ergibt,

ihre Jam-Sessions.


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